Der jahrelang boomende Wohnungsbau ist wegen des starken Zinsanstiegs bei Krediten und teureren Materialien ins Stocken geraten. Das belastet die Baubranche.
Wegen der Flaute im Wohnungsbau sind die Baugenehmigungen in Deutschland im ersten Halbjahr eingebrochen. Die Behörden gaben grünes Licht für den Bau von nur 135.200 Einheiten, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Dies waren 50.600 oder 27,2 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2022. Allein im Juni gab es einen Rückgang zum Vorjahresmonat um 28,5 Prozent auf 21.800 Wohnungen. „Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften weiterhin vor allem steigende Baukosten und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben“, erklärte das Statistikamt.
Die Bundesregierung will den Rückgang des Wohnungsbaus laut Bauministerin Klara Geywitz mit Steuererleichterungen bremsen. Die SPD-Politikerin kündigte jüngst ein Maßnahmenpaket für September an. Geywitz hatte vor zwei Wochen eine degressive Abschreibung im Wohnungsbau vorgeschlagen. Bauherren könnten dann innerhalb der ersten acht Jahre 48 Prozent der Kosten bei der Steuer abschreiben. Zudem will sie technische Regelwerke entschlacken, wie sie der „Leipziger Volkszeitung“ sagte: „Wir müssen wieder einfacher bauen in Deutschland und den Kostenanstieg dämpfen.“
Kaum Neubau bei Zweifamilienhäusern
In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden von Januar bis Juni insgesamt 111.500 Wohnungen genehmigt – 30,8 Prozent oder 49.600 weniger als vor Jahresfrist. Dabei ging die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser um gut ein Drittel auf 27.000 zurück. Bei den Zweifamilienhäusern sank die Zahl genehmigter Wohnungen sogar um mehr als die Hälfte (-53,4 Prozent) auf 7700. Auch bei der Gebäudeart mit den insgesamt meisten Wohnungen, den Mehrfamilienhäusern, verringerte sich die Zahl der genehmigten Wohnungen deutlich, und zwar um mehr als ein Viertel (-27,0 Prozent) auf 72.400.
Das Statistische Bundesamt erklärte, seit März gebe es die Wohnbauförderung für klimafreundlichen Neubau der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Diese Förderung könne von Privatpersonen zur Eigennutzung oder Vermietung sowie von Unternehmen beantragt werden. Noch sei kein eindeutiger Effekt dieser Maßnahmen auf die Genehmigungszahlen erkennbar, hieß es von den Statistikern. Die Zahl der Baugenehmigungen im Zeitraum März bis Juni 2023 ging im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar etwas stärker zurück als im gesamten ersten Halbjahr 2023.
Trotz der Flaute am Bau rechnet Geywitz allerdings nicht mit einer tiefgreifenden Branchenkrise wie in den 90er-Jahren. Die Situation heute unterscheide sich total davon, sagte die Politikerin der „LVF“. „Wir haben jetzt eine kurzfristige Belastungssituation“, sagte Geywitz mit Blick auf die schnell gestiegenen Bauzinsen. Es gebe aber gleichzeitig eine riesige Nachfrage nach Baukapazitäten, unter anderem für den Bau von Schulen, Straßen, Brücken und Schienenwegen. Allerdings hat sie in zwischen eingestanden, dass die Ampelkoalition ihr Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen verfehlen wird.